Interview von UNIDIGITAL.news mit Dr. Alexander Classen, dem Geschäftsführer der HOOU

Die Hamburg Open Online University (HOOU) koordiniert eine Zusammenarbeit von acht gesellschaftsbeteiligten Institutionen (u.a. TUHH & HAW Hamburg) zur Beantwortung der Frage, wie wir in Zukunft lernen wollen. Ihr aktueller Geschäftsführer ist unser heutiger Interviewpartner Dr. Alexander Classen.

Was sind die Kernaufgaben der Hamburg Open Online University und welche Vision verfolgt die HOOU langfristig?

Dr. Alexander Classen: Eine der Kernaufgaben der Hamburg Open Online University ist die Förderung und Erstellung wissenschaftlicher, digitaler Lernangebote. Das Bildungsangebot unserer Online-Plattform ist frei zugänglich, verwendete Materialien sind offen lizensiert. Durch Kollaboration und Kooperation fördern wir den Austausch zum Lehren und Lernen in digitalen Zeiten.

In der HOOU widmen wir uns der Frage, wie sich akademisches Lehren und Lernen durch die digitale Transformation verändert und mit digitalen Mittel qualitätssteigernd unterstützten lässt. Antworten auf diese Fragen zu finden ist ein wichtiger Beitrag, den Bildung für eine freie, demokratische und diversitätssensible Gesellschaft leisten kann und muss.

Mit Innovationen in der digitalen Hochschullehre möchte die HOOU die digitale Transformation in der Bildung aktiv mitgestalten und eine Gesellschaft befördern, in der über den Zugang zu Wissen auch die Aneignung von Wissen eine gesellschaftliche Öffnung erfährt.

hoou

Die HOOU wurde Anfang 2014 ins Leben gerufen. Wie kam es dazu und wer waren die beteiligten Akteure?

Dr. Alexander Classen: Nun, die Digitalisierungsinitiative der Stadt Hamburg, aus der heraus sich auch die Gründung der HOOU ergab, nahm in 2014 ihren Anfang. Der damals Erste Bürgermeister Olaf Scholz griff dabei die OER-Thematik und den Bedarf der Öffnung von Bildungsressourcen der Hochschulen für neue Zielgruppen auf. Die öffentlich-rechtlichen Hochschulen Hamburgs formten daraufhin einen gemeinsamen und ganzheitlichen Ansatz für eine offene akademische Bildung – die Hamburg Open Online University. Unter der Leitung einer Lenkungsgruppe „Digitales Lehren und Lernen“ startete die HOOU dann als von der Stadt gefördertes Projekt im Frühjahr 2015. Im Projekt organisierten sich die Hochschulen zu den Themen Offene Lernmaterialien, digitale Qualifizierung und der Konzeption einer digitalen Lernplattform.

Gibt es eine zeitliche Begrenzung des Projektes oder wird in regelmäßigen Abständen neu über die Fortführung entschieden?

Dr. Alexander Classen: Die Konstitution der HOOU hat sich weiterentwickelt. Im vergangenen Jahr haben wir uns als Gesellschaft organisiert, die im Landeshaushalt fest eingeplant ist. Diese institutionelle Förderung gibt den Hochschulen die nötige Planungssicherheit zur kontinuierlichen Weiterentwicklung der HOOU. Zeitlich begrenzten Phasen einer Projektförderung haben wir damit nicht mehr. Über den Fortbestand der HOOU entscheiden nun die Gesellschafter.

Wer sind die Mitglieder der HOOU und wie wird das hochschulübergreifende Gemeinschaftsprojekt finanziert?

Dr. Alexander Classen: Insgesamt sind fünf Hochschulen an der HOOU beteiligt: Die Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg, die Technische Universität Hamburg, die HafenCity Universität, die Hochschule für bildende Künste und die Hochschule für Musik und Theater. Dazu kommen noch das Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf, das Multimedia Kontor Hamburg und die mehrheitsbeteiligte Freie und Hansestadt Hamburg, vertreten durch die Wissenschaftsbehörde, über die auch die institutionelle Zuwendung erfolgt. Wir sind also öffentlich finanziert.

Derzeit befinden sich 247 Lernangebote und 236 offene Materialien auf der Plattform (Stand: 23.08.2021)

Wie viele offene Lernangebote sind auf Plattform verfügbar und welche Inhalte werden von den Teilnehmern hinsichtlich der Themenauswahl am häufigsten abgerufen?

Dr. Alexander Classen: Derzeit befinden sich 247 Lernangebote und 236 offene Materialien auf der Plattform. Die Frequenz der Aufrufe wechselt ständig, je nachdem, welche Themen gerade gesellschaftlich gefragt sind. Gerade auch neu veröffentlichte Lernangebote werden viel besucht. Die Themenfelder Nachhaltigkeit und u.a. Geschichte stehen seit Längerem hoch im Kurs. Ich glaube, das Cluster Nachhaltigkeit führt aktuell nach Klickzahlen. Aber auf Klickzahlen gebe ich ehrlich gesagt nicht viel. Die verraten nämlich rein gar nichts darüber, ob ein Lernangebot für gut befunden wurde oder jemand tatsächlich etwas gelernt hat.

Hoou Angebote
Angebote der Hamburg Open Online University

Auf welche Zielgruppen sind die Lerninhalte der Hamburg Open Online University zugeschnitten?

Dr. Alexander Classen: Die HOOU wendet sich mit Ihren Angeboten fokussiert an Studierende als auch an Lehrende, die sich für OER-Materialien interessieren und diese selbst in ihrer Lehre nutzen wollen oder es bereits tun.

Darüber hinaus stehen die Angebote der HOOU offen und kostenfrei allen Interessierten zur Verfügung.  Für das kommenden Jahr sind Angebote geplant, die weitere Zielgruppen, wie z.B. Berufstätige, ansprechen.

Können Studierende sich bei erfolgreicher Beendigung der angebotenen Online-Kurse Leistungen für ihr Studium anerkennen lassen?

Dr. Alexander Classen: Viele unserer Lernangebote spielen auch im Rahmen der Studiengänge unseren Hochschulen eine Rolle. ECTS-Punkte oder Zertifikate vergibt die HOOU dabei nicht, da unsere Lernangebote offen und ohne Leistungskontrolle angeboten werden.

Ich sehe aber das breite Interesse, sich für Online-Lerneinheiten auch einen Nachweis über das Gelernte erarbeiten zu können. Wie die HOOU ihre Hochschulen dabei unterstützten kann, werden wir sehen. Ein Beispiel mögen die Kurse sein, die im Rahmen des Projektes „Open T-Shape for Sustainable Development“ an der TU Hamburg und der HafenCity Universität entwickelt werden. Das Projekt soll Studierenden über ihr Studium hinaus die Möglichkeit geben, sich im Rahmen von Onlineinhalten über Themen wie Umwelt, Klima und Nachhaltigkeit weiterzubilden. Die offenen Kursbestandteile der dabei entwickelten Zertifikatskurse werden wir über die HOOU publizieren.

Projekt KISS
Projekt KISS – Künstliche Intelligenz für Schüler:innen und Studierende (KISS)

Sie bieten interessante Lernangebote wie z.B. Künstliche Intelligenz für Schüler:innen und Studierende (KISS) oder CliMap-HEALTH an. Wie läuft so ein Projekt für die Lernenden konkret ab?

Dr. Alexander Classen: Das hängt von der Motivation der bzw. des Lernenden ab. Man kann sich einmal kurz zu etwas mit einem Lernvideo informieren oder ein Lernangebot mit all seinen Bestandteilen vollständig nutzen, um sich echte Kompetenzen zum Lerngegenstand aufzubauen.

Als Online-University sind unsere Lernangebote ja jederzeit verfügbar, sodass auch die jeweilige Lernzeit und Lerngeschwindigkeit ganz vom Lernenden selbst anhand seiner individuellen Bedarfe und Möglichkeiten bestimmt werden kann.

Zum Schluss: Ist es vorstellbar, dass die HOOU langfristig zu der zentralen Plattform von frei zugänglichen und kostenfreien Online-Lernkursen (MOOCs)
der Hamburger Hochschulen wird?

Dr. Alexander Classen: Eine Plattform mit frei zugänglichen und kostenfreien Online-Lernkursen sind wir ja bereits. Da wir nicht kommerziell agieren, sind wir allerdings nicht darauf angewiesen, unser Angebot anhand der Überlegung auszurichten, was denn wohl die größte Masse gerade nachfragt. Die HOOU versteht sich mit ihren Lernangeboten, ihrem Repositorium für offenen Lernmaterialien und ihren virtuellen Räumen für den Austausch zu Weiterentwicklung einer qualitativ hochwertigen akademischen Lehre auch als Transferplattform. Damit geht es uns um wissenschaftliche Qualität, nicht um Masse. Ich spreche bei der HOOU deshalb auch gerne von einer Bildungsplattform. Da steigt weit mehr drin, als nur Kurse ins Internet einzustellen.

Das Interview wurde schriftlich per E-Mail durchgeführt und am 23.08.2021 fertiggestellt. Vielen herzlichen Dank an unseren Interviewpartner Dr. Alexander Classen und die Mitarbeiterinnen aus der Kommunikationsabteilung der HOOU Lara Kranz und Katrin Schröder.. Aufseiten von UNIDIGITAL.news war Matthias Kindt beteiligt.

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