Digitale Hochschule und Digitale Lehre in Zeiten der Pandemie

Eine Stellungnahme der Jungen GI

Das Sommersemester 2020 war in jeder Hinsicht außergewöhnlich: Wegen der Corona-Krise und dem damit verbundenen Lockdown des öffentlichen Lebens waren die Hochschulleitungen gezwungen, innerhalb kürzester Zeit die „normale“ Lehre auf digitale Lehre umzustellen. Hierzu war sowohl ein Kraftakt bei der Anpassung der technischen Systeme wie auch die Anpassung der verschiedenen Formate der Lehrveranstaltungen durch die Hochschullehrerinnen und Lehrer nötig. Am Ende des Sommersemesters – mit Blick auf das Wintersemester 2020/2021 und darüber hinaus – wollen wir in dieser Stellungnahme Bilanz ziehen, positive Erfahrungen mitnehmen, alte Zöpfe abschneiden. Die Pandemie hat die Digitalisierung der Hochschulen extrem beschleunigt, gleichzeitig aber auch den bisherigen Zustand der Alma Mater offengelegt.  Im Übrigen: Niemand wünscht sich diesen Zustand für die Zukunft. Sowohl Lehrende wie Lernende vermissen den direkten persönlicien Austausch, das Leben auf dem Campus, die Mensa, die Bibliotheken und die sozialen Events, die zum Student(inn)enleben dazu gehören. Im Webtalk der Jungen GI vom 17. August wurde Bilanz gezogen. Dabei waren die Lehrenden Nadine Bergner (TU Dresden), Viktor Leis (Uni Jena) sowie die Studierenden Elrike van den Heuvel (TU Kaiserslautern) und Janos Föth (Uni Kassel).

Die Digitale Lehre

Digitale Lehre ist mehr als Home-Schooling/Distance learning und Lehrvideos. Die Methoden und die dazu passenden Werkzeuge sollten sich am Dreiklang der Lehre orientieren: Lerninhalte vermitteln, Lernende aktivieren, Lernende betreuen. Folgerichtig werden unter Digitaler Lehre alle Formen von Lernen verstanden, bei denen elektronische oder digitale Medien für die Präsentation und Distribution von Lernmaterialien und/oder zur Unterstützung zwischenmenschlicher Kommunikation zum Einsatz kommen.

Sowohl Lehrende wie Lernende zeichneten am Ende des Sommersemesters ein durchaus positives Bild der digitalen Lehre: Nach holperigen Start ist es innerhalb sehr kurzer Zeit gelungen, die technischen Systeme an die Anforderungen anzupassen. Für die Lehrenden bedeutete es auch einen gewaltigen Aufwand an Zeit, ihre Lehrangebote komplett digital umzustellen. Natürlich wurde hier auch viel improvisiert, mit unterschiedlichen Plattformen gearbeit, synchrone und asynchrone Angebote im Wechsel durchgeführt. Webcast-Format (Folien mit Ton.ggf. mit Bild). Dabei erscheint es wichtig, den Studierenden auf diese Weise eine Struktur zu geben, auch mit Angeboten für kleinere Übungen und das Einstreuen von Prüfungsfragen.

Dien Studierenden fehlte in den Anfangszeiten des Lockdown häufig die Ansprache und Anleitung durch die Hochschulleitung, häufig war unklar, ob und wie auf welcher Plattform die entsprechende Lehrveranstaltung duchgeführt wurde. Gleichzeitig wurden aber auch die Vorzüge asynchroner Lehrangebote hervorgehoben. Einerseits konnte man/frau sein Studium sehr flexibel und individuell planen, aber die Arbeit zuhause erfordert viel Disziplin und Selbstorganisation. Natürlich fehlt der Kontakt zu den Kommilitoninnen und Kommilitonen. Von beiden Seiten wurde auch kritisiert, dass viele Studierenden bei den synchronen Formaten und in kleineren Übungen ihre Kameras ausschalten, so dass man häufig „in ein schwarzes Loch“ spricht. Wie auch in Präsenzveranstaltungen ist das Niveau der digitalen Lehrveranstaltungen aus Sicht der Studierenden sehr unterschiedlich. Vorlesungen, die aus der Präsentation der eigenen Skripten bestehen, sind eher überflüssig.

Prüfungen wurden in verschiedensten Formaten nachgeholt, es gab großzügige Freiversuchsregelungen (was einen erhöhten Aufwand für die Lehrenden bedeutete). Es gibt sowohl Prüfungen in Präsenz (unter Einhaltung der Abstandsregeln) wie auch digital gestellte Aufgaben, die von zuhause in einem festen Zeitrahmen zu lösen waren.

Lernende betreuen/soziale Interaktion

Die Studierenden haben sich teilweise selbst oraganisiert, zum Beispiel über WhattsApp-Gruppen oder auch in Videokonferenzen. Manche Hochschulen boten sichere Chatsysteme an. Die TU Dresden ließ mit großem Erfolg digitale Profile der Studierenden erstellen, damit diese sich auch untereinander kennenlernen und vernetzen konnten.

Ein bisher noch weitgehend unbefriedigend gelöstes Problem ist/wird die Erstsemesterbetreuung sein. Die Hochschulen werden hybride Formate anbieten, um die Studienanfänger an die Hochschule heranzuführen und soziale Interaktion der Studierenden zu ermöglichen. Dabei ist aber auch noch ungeklärt, wie mit ausländischen Studierenden umgegangen wird, die aufgrund der Corona-Reisebedingungen gar nicht einreisen dürfen. Ebenso gibt es keine Empfehlungen, ob es sich für Studierende aus weit entfernten Wohnorten überhaupt lohnt, gegenwärtig eine Wohnung am Studienort zu mieten, wenn die Mehrzahl der Lehrveranstaltungen online stattfindet.

Technische Plattformen

Seitens der Hochschulen gab es Empfehlungen zur Nutzung der technischen Plattformen, ohne aber einzelne auszuschließen, auch wenn datenschutzrechtliche Probleme im Raum standen. Die gängigsten Plattformen sind Zoom, DFN, Big Blue Bottom und Jitisi. Aber in Vorlesungen für 850 Personen ist eben nicht jedes Tool geeignet. So wurden die Werkzeuge „bedarfsgerecht“ eingesetzt. Die Möglichkeit etwa Breakout-Rooms für Arbeitsgruppen einzusetzen, bietet eben auch nicht jedes Tool.  Für die Studierenden ist die Herausforderung jeweils zu wissen, welches Tool gerade benutzt wird, um rechtzeitig dafür vorbereitet zu sein. Der Flachenhals für die Lehrenden war anfangs die fehelnde Speicherkapazität für die plötzliche Fülle des Videomaterials auf den Servern der Hochschulen.

Was soll nach Corona bleiben, was nicht?

  • Asynchrone Formate sollen das „alte“ Format Vorlesung als Frontalveranstaltung ablösen.
  • Nicht nur die Lehre, auch die Verwaltung der Hochschulen soll digitaler werden.
  • Lehrdiputatskürzungen müssen im Anbetracht der Mehrbelastungen umgesetzt werden, insbesonder bei den HAW’en.

Was wird gebraucht?

  • Geschulte Hilfskräfte einstellen, die die Lehrenden (insbesondere anderer Fachbereiche) bei der digitalen Lehre unterstützen.
  • Einheitliche Richtlinien und Formate der Hochschulen, an denen sich die Studierenden orientieren können.
  • Evaluation des Semestes entsprechend auswerten, damit das Qualifikationsgefälle bei den Lehrveranstaltungen ausgeglichen wird.

Die Junge GI teilt im wesentlichen damit auch die Forderungen des Fakultätentags Informatik, siehe https://www.ft-informatik.de/pdf/FTI-2020-Position-Digitalisierung-Hochschullehre-200327.pdf

Der Webtalk zum Thema kann in unserem youtube-channel nachverfolgt werden.

Zum Originalbeitrag vom 21.09.2020

 

Ähnliche Beiträge