Sommersemester 2020: Keine Zeit für eine Generalprobe

Das Konzept für das Seminar stand. Dann kam Corona. Für die Lehrenden hieß das, von jetzt auf gleich umzuplanen, um nicht nur Anteile, sondern möglichst die ganze Lehre zu virtualisieren.

Das Konzept für das Seminar stand. Dann kam Corona. Und damit die Entscheidung: Dieses Sommersemester wird virtuell. Für die Lehrenden hieß das, von jetzt auf gleich umzuplanen, um nicht nur Anteile, sondern möglichst die ganze Lehre zu virtualisieren. Keine Zeit für eine Generalprobe. Nach den ersten Semesterwochen ist das Feedback der Studierenden vor allem positiv – Belohnung für einen Kraftakt vieler Menschen aus ganz verschiedenen Bereichen der Goethe-Universität. Ein Blick auf das Geschehen hinter den Kulissen.

Wie stellt man die drittgrößte Uni in Deutschland von jetzt auf gleich auf digital um? Was ist dabei überhaupt realistisch leistbar? Offenbar geht mehr, als sich viele noch vor wenigen Monaten hätten vorstellen können: »Unser Anspruch ist es, auch in diesem Ausnahmesemester all unseren Studierenden 30 für sie jeweils passende und studierbare ECTS-Punkte anbieten zu können. Dass das in den allermeisten Fällen gelingt, ist dem unermüdliches Engagement, der Kreativität und Flexibilität der Lehrenden aber auch der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Administration zu verdanken.

Vielleicht können wir am Ende sogar aus dieser schwierigen Situation lernen und gute Ideen in die Zukunft tragen«, sagt Universitätspräsidentin Prof. Dr. Birgitta Wolff. Die Fachbereiche entwickelten sehr schnell Konzepte und Ideen. Gleichzeitig musste die Goethe-Universität zentral koordinieren, Support leisten und sicherstellen, dass die neuen Lehrveranstaltungen den rechtlichen Anforderungen entsprechen. Zwei Arbeitsgruppen wurden dafür von Prof. Dr. Roger Erb, Vizepräsident für Studium und Lehre, ins Leben gerufen: Die AG Virtuelle Lehre sowie die AG für Rahmenbedingungen in Studium und Lehre.

Rahmen und Inhalte

Michelle Mallwitz, Referentin für Studiengangsentwicklung in der Abteilung Lehre und Qualitätssicherung (LuQ), koordiniert und verzahnt beide Gruppen. Mitglieder der AG Virtuelle Lehre sind außerdem Dr. David Weiß (studiumdigitale, Abteilungsleitung Medientechnologie), Jan Wauschkuhn (Abteilungsleiter Applikationen, Hochschulrechenzentrum), PD Dr. Miriam Hansen (Operative Leitung Interdisziplinäres Kolleg Hochschuldidaktik) und Vincent Rastädter (LuQ, Starker Start ins Studium). Sie bieten online Unterstützung für virtuelle Lehrkonzepte, prüfen Anregungen aus den Fachbereichen, clustern Fragen.

»Durch die Zusammensetzung der Gruppe wird gewährleistet, dass die Bereiche Didaktik, Organisation und IT gemeinsam betrachtet und den Lehrenden praktische Hilfestellung gegeben werden kann«, erläutert Jan Wauschkuhn. Aus der Gruppe heraus wurden verschiedene Angebote erstellt: von häufig benötigten Kursvorlagen für Lernplattformen über Tutorials bis hin zu regelmäßigen offenen Treffen per Videokonferenz, um Lehrenden die Möglichkeiten zum direkten Austausch mit anderen zu geben und sich live Rat von den Experten der Arbeitsgruppe zu holen.

Mission der AG für die Rahmenbedingungen ist, die aktuelle Situation mit den prüfungsrechtlichen Vorgaben in Einklang zu bringen. Annette Münch, kommissarische LuQAbteilungsleiterin, Michael Gerhard, stellvertretender Bereichsleiter des Studien-Service-Centers (SSC), Claudia Füller, Abteilungsleiterin Studien- und Prüfungsrecht im SSC, sowie Michelle Mallwitz tauschen sich regelmäßig aus und erarbeiten Vorlagen. Themen sind unter anderem neue Fristen für Hausarbeiten, Freiversuchsregelungen oder die Frage, welche Spielregeln bei virtueller Lehre gelten.

Neben Recht geht es auch um Gerechtigkeit: »Die Möglichkeiten der Studierenden, virtueller Lehre zu folgen, sind aufgrund privater Umstände, etwa dem Verlust des Nebenjobs oder der Familienverpflichtungen, sehr unterschiedlich. Für uns gilt der Grundsatz, dass die Studierenden die Lehre möglichst umfangreich nutzen können und sollen, aber nicht müssen«, erklärt Vizepräsident Roger Erb. »Damit für Studierende in diesem Ausnahmesemester keine Nachteile entstehen, haben wir universitätsintern gemeinsam mit dem Senat eine Reihe rechtlicher Änderungen beschlossen. Auch auf Landes- und Bundesebene setzen wir uns dafür ein, dass es möglichst kulante Regelungen für Studierende gibt.«

Noch schneller geht nicht

Beide AGs greifen über ein Ticketsystem auf Mails von Lehrenden und Studierenden zu, die dann schnellstmöglich beantwortet werden. Mit den Antworten werden die Webseiten Stück für Stück zu einer Wissensdatenbank. »Trotzdem ist es uns leider nicht in jedem Fall möglich, so schnell zu antworten, wie es den Anfragenden wichtig wäre«, sagt Michelle Mallwitz. »Wir versuchen, vieles proaktiv zu klären, aber die meisten Herausforderungen sind auch für uns völlig neu.«

Die Herausforderung besteht zum einen darin, dass es teils einer länder- oder sogar bundesweiten Lösung bedarf. In anderen Fällen ist eine unispezifische Antwort schon komplex genug. Ein Beispiel: Um zu prüfen, ob Laborpraktika auch in der Ausnahmesituation angeboten werden können, gilt es erst einmal alle Zuständigkeiten zu klären, die Arbeitssicherheitsbestimmungen und aktuelle Vorgaben zu prüfen und zu organisieren, wie diesen Studierenden der Einlass in die eigentlich geschlossenen Uni-Gebäude ermöglicht werden kann.

Um nicht an der Praxis vorbei zu agieren, arbeitet die AG Virtuelle Lehre sehr eng mit den Kolleginnen und Kollegen aus dem Programm »Starker Start ins Studium«, den eLearning-Beauftragten der Fachbereiche und weiteren Lehrenden, die fit im digitalen Unterrichten sind, zusammen. »So können wir den Infofluss in die Fachbereiche verstärken und müssen uns nicht nur auf die Webseite verlassen«, erklärt Michelle Mallwitz. Anna Bitzer kennt beide Seiten: Sie ist einerseits Koordinatorin beim »Starken Start« bei LuQ, lehrt aber auch im Fachbereich Erziehungswissenschaften.

»Nicht alles lässt sich im virtuellen Format auffangen, wenn die Interaktion vor Ort fehlt – egal, wie viel Mühe man sich gibt«, hat sie für sich selbst festgestellt. Auf der einen Seite sei da die Flut von Informationen, auf der anderen Seite finde man dort trotzdem nicht immer die Antwort auf jene Fragen, die einen persönlich umtreiben. »Für mich persönlich funktioniert es am besten, wenn ich einen Ansprechpartner in meinem Fachbereich habe, dem ich mein Umsetzungsproblem schildern und Lösungsoptionen besprechen kann«, sagt die Erziehungswissenschaftlerin.

Die Studierenden nicht alleine lassen

Und die Studierenden? Für sie entfällt zurzeit ungefähr alles, was ein normales Unileben ausmacht: Diskussion im Seminar, Party am Abend, Mensa-Besuch, lernen in der Bibliothek und natürlich die Einführungswochen. »Gerade für die Erstsemester ist das herausfordernd«, weiß Michelle Mallwitz. Auch hier gibt es aber zum Glück digitale Unterstützung. Eine Rolle spielen dabei die Angebote des »Starken Starts«. »Großes Lob von den Studierenden gab es zum Beispiel für den Mathematik- Vorkurs in den Wirtschaftswissenschaften«, berichtet Anna Bitzer. »Der wurde kurzerhand auf Moodle umgestellt; die Studierenden werden online von Tutorinnen und Tutoren betreut.«

Viel läuft auch über die Fachschaften, die Studierende zusammenbringen und Inhalte koordinieren über Facebook, Messengerdienste oder Chats. Virtuell gestartet sind übrigens auch die über 150 Studienanfängerinnen und -anfänger im neuen Goethe-Orientierungsstudium (GO) Geistes- und Sozialwissenschaften. Die geplante Einführungswoche wurde zu einer GO-Wochedigital: Für ein gegenseitiges Kennenlernen konnten die Studierenden in OLAT beispielsweise Steckbriefe mit Foto und kurzem Text erstellen; die studentischen Tutoren und Mentoren stellten sich mit Videobotschaften vor.

Sprechstunden laufen über einen Online-Chat und Zoom. Als Vorbereitung auf die Vorlesungen und Seminare hatte das Schreibzentrum eigens für die GO-Studierenden Lernpakete zum akademischen Schreiben und Lesen entwickelt. »Ich freue ich mich, wie motiviert sich die Erstsemester von Anfang an gezeigt haben und mit welcher Offenheit sie sich auf ungewohnte Lernsettings einlassen«, sagt Dr. Johanna Scheel, die wissenschaftliche Koordinatorin der Programmlinie. Dennoch fällt es natürlich nicht allen leicht, sich unter den erschwerten Umständen zu strukturieren und zu motivieren.

»Die Studierenden, die sich bei uns melden, schieben die Aufgaben oft vor sich her, setzen sich zu hohe Ziele, lenken sich während der Arbeitszeiten ab und gönnen sich daher auch keine Erholungsphasen«, berichtet Prof. Dr. Sabine Windmann vom Institut für Psychologie im Fachbereich 05, die den studentischen Buddyservice Call-a-CAB initiiert hat. »Aber wir bekamen auch Anfragen von Studierenden im ersten Semester, die studiengangbezogene Orientierung brauchen. Bei dieser Art von Problemen kann Call-a-CAB sehr gut unterstützen.« Die Buddies im Corona-Modus stehen dann virtuell zur Seite und helfen zum Beispiel, Selbstmanagementstrategien zu erarbeiten.

Erste Präsenzveranstaltungen

Universitätspräsidentin Birgitta Wolff hat die Universitätsmitglieder schon vorbereitet, dass auch das kommende Wintersemester primär virtuell starten wird. Aber: Erste kleine Lehrformate sind unter den Schutzauflagen des Robert- Koch-Instituts möglich. Die Universitätsbibliothek öffnet sich weiter. Vor allem aber werden die Seminarräume und Hörsäle auf den Campi jetzt gebraucht, um die Präsenzprüfungen aus dem letzten Wintersemester nachzuholen. Stück für Stück kehrt das Leben auf den Campus zurück.

Mehr erfahren: Auf den Corona-Seiten der Goethe-Universität gibt es unter zielgruppenspezifisch aufbereitete Informationen zu den Rahmenbedingungen in Studium und Lehre. https://lehre-sose2020.uni-frankfurt.de gibt Informationen und Unterstützungsangebote zur Umsetzung virtueller Lehre.

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