AI Engineering: Fünf Hochschulen aus Sachsen-Anhalt starten innovativen Studiengang mit KI in den Ingenieurwissenschaften
Der erste gemeinsame Studiengang von fünf Hochschulen des Landes Sachsen-Anhalt „AI Engineering – Künstliche Intelligenz in den Ingenieurwissenschaften” ist vor wenigen Wochen mit den ersten 22 Studierenden auf dem Magdeburger Unicampus gestartet. In diesem bundesweit einzigartigen Studienmodell absolvieren sie zunächst ein viersemestriges Grundlagenstudium an der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg. Anschließend haben die Studierenden die Möglichkeit, ein Vertiefungsstudium an einer weiteren der insgesamt fünf beteiligten Hochschulen zu beginnen:
- Fertigung, Produktion und Logistik an der Universität Magdeburg
- Agrarwirtschaft und -technik an der Hochschule Anhalt
- Mobile Systeme und Telematik an der Hochschule Harz
- Green Engineering an der Hochschule Merseburg
- Biomechanik und Smart Health Technologies an der Hochschule Magdeburg-Stendal
Quelle: Universität Magdeburg
Künstliche Intelligenz in der Hochschulbildung
Die Entwicklung des Studiengangs wurde im Rahmen der BMBF-Initiative „KI in der Hochschulbildung“ gemeinsam von Bund und Land Sachsen-Anhalt gefördert.
„Mit der Bund-Länder-Vereinbarung „Künstliche Intelligenz in der Hochschulbildung“ und der damit bereitgestellten Mittel möchten Bund und Länder gemeinsam die Schlüsseltechnologie Künstliche Intelligenz wirksam in der Breite des Hochschulsystems entfalten. Die Hochschulen werden dabei unterstützt, Künstliche Intelligenz in der Lehre noch besser zu nutzen und die Fachkräfte von Morgen mit einer wichtigen Kompetenz auszustatten.” Quelle: BMBF
14 Verbund- und 40 Einzelvorhaben werden für eine Laufzeit von bis zu vier Jahren gefördert. Die maximale Förderhöhe beträgt für Einzelvorhaben zwei Millionen Euro und für Verbundprojekte fünf Millionen Euro. Die Fördermittel werden jeweils im Verhältnis 90:10 vom Bund und vom Sitzland der jeweiligen Hochschule übernommen.
Programmersprache Python als Schlüsselqualifikation: Einblicke von Johannes Schleiss (Universität Magdeburg)
Die Ausbildung in AI Engineering liegt von Beginn an Grundlagen in den Ingenieurwissenschaften, Grundlagen der Informatik, und eben der Überschneidung der Disziplinen. Es geht natürlich immer darum das technische Verständnis und daten-getriebene Vorgehen zu vermitteln und nicht zentral darum Tools beizubringen. Unsere Studierende arbeiten je nach Projekt mit unterschiedlichen Tools und Anwendungssprachen. Primär steht Python im Vordergrund, da diese Sprache aktuell die meiste Anwendung findet. Als Machine Learning Framework setzen wir aktuell auf pytorch verbunden mit nützlichen Bibliotheken. Es ist natürlich so das Tools wie Github-Co-Pilot oder ähnliches immer größeren Einzug in die Programmierung finden und wir darauf auch in unseren Kursen reagieren müssen.
Tools und die Kapazitäten von Technologien ändern sich schneller als Curricula. Die Grundausrichtung bleibt aber immer erhalten, was sich ändert ist nur die aktuellen Inhalte auf Kursniveau. Gerade durch die stark anwendungsorientierte und projekt-getriebene Lehre in AI Engineering und vielen engagierten Lehrenden sollte es uns gelingen die Möglichkeiten der Technologien umfassend zu vermitteln.
Im Studium erwerben die Studierende Kompetenzen in der Entwicklung, Anwendung und Einführung von Künstlicher Intelligenz in ausgewählten ingenieurwissenschaftlichen Domänen. Ziel ist es, in enger Verzahnung von Theorie und Praxis und der Zusammenarbeit mit Unternehmen Fachkräfte auszubilden, die in der Lage sind, innovative und wegweisende KI-Lösungen für die Industrie zu entwickeln und ingenieurtechnische Problemstellungen mit KI-Methoden zu lösen.
Vieles im Kontext der Ingenieurwissenschaften ist erstmal Datenanalyse, oft von Sensordaten. Ein klassisches Beispiel in der Produktion ist die vorausschauende Wartung, auch oft unter dem englischen Namen Predictive Maintenance verwendet. Die Idee ist hierbei Verhalten von Produktionsanlagen oder einzelnen Teilen vorherzusagen und so Anomalien im Betrieb zu erkennen. Oft passiert dies auf Basis von Geräuschdaten oder anderen Sensormessdaten. Ziel ist es mit KI Lösungen die Masse an Daten auszuwerten, Anomalien zu erkennen und die optimalen Wartungszeitpunkte besser zu verstehen. Gleichzeitig behandeln wir im Studium in den Anwendungsdomänen sehr unterschiedliche Anwendungsfälle: Das reicht von der sportwissenschaftlichen Analyse von Bewegungsdaten, über Anwendungen in der Robotik bis hin zu Precision Farming und Fernerkundung von landwirtschaftlichen Flächen durch Drohnen. Insgesamt liegen die Anwendungsfälle viel im Einsatz von Machinellem Lernen, nicht so stark im Kontext von generative KI-Anwendungen. Das kann sich aber stückweise ändern.
Johannes Schleiß ist Mitarbeiter im AI Lab der Universität Magdeburg und offizieller Ansprechpartner rund um den neuen Studiengang “AI Engineering”.
Fazit
Die Einbindung von künstlicher Intelligenz im Rahmen eines ingenieurwissenschaftlichen Studium macht unglaublich viel Sinn, da im Ingenieurwesen generell sehr viele Daten erhoben werden, um bestimmte Prozesse darzustellen, ganz egal ob bei er Errichtung von Wohngebäuden, beim Betrieb von komplexen Produktionsanlagen oder der Sensorik. Künstliche Intelligenzen, die dabei gezielt unterstützen können, um genauere Prognosen abgeben zu können oder um Fehler im Planungsvorfeld zu minimieren, sollten auch im Studium zum Einsatz kommen, um diese frühestmöglich zum Beispiel als einer Art “KI-Buddy” oder “KI-Begleiter” zu etablieren.
Ingenieure kennen sich somit neben klassischen Fächern wie der Technischen Mechanik oder der Ingenieurmathematik nun auch mit Programmiersprachen wie Python aus, die u.a. auch dafür verwendet wird, um Large Language Models wie GPT über eine sogenannte Programmierschnittstelle (API) auf einem Rechner oder einer Webseite einzubinden. Auf dieser Grundlage wäre dann auch ein themenspezifisches Finetuning möglich, um Datenanalysen noch genauer durchführen zu können.
Potenzielles Anwendungsszenario: Bau & Planung eines Offshore-Windparks in der Nordsee
Insbesondere bei sehr komplexen Bauvorhaben, an denen auch viele Personen aus verschiedenen Fachrichtungen beteiligt sind, kann es wie die Vergangenheit zeigt, zu Fehlerketten kommen, die schlussendlich für eine Verzögerung und Verteuerung der Projekte und allgemeines Kopfschütteln sorgen. Passende “Ki-Buddys” als eine Art “Helferlein” oder “Projektbegleiter” könnten Fehler insgesamt minimieren, da die genutzte KI-Anwendung frühzeitig auf bestimmte Gefahren hinweist. Läuft die Baustellenplanung rund, wie sieht es mit den rechtlichen Folgen bezüglich Klagen aus, sind die Materialkosten konstant und wie ist der kurzfristige Ausblick an den Rohstoffmärkten oder wie steht es um die Öffentlichkeitsarbeit des Großprojektes? Solch komplexe Vorhaben beinhalten etliche solcher Fragestellungen, wobei eine Fehleinschätzung bei jeder dieser Thematiken schwerwiegende Konsequenzen haben könnte.
Geeignete Software etwa im Rahmen des Bauingenieurwesens könnte für eine Entspannung sorgen bzw. auch den Druck auf die Ingenieurinnen und Ingenieure reduzieren, was sich wiederum positiv auf deren Arbeit auswirkt. Die Tools ließen sich für eine Kontrolle und auch Frühwarnung einsetzen, falls bestimmte Parameter nicht im Zielkorridor verlaufen sollten. Wenn dies nicht von menschlicher Hand umgehend angepasst wird, dann tut dies eben die künstliche Intelligenz automatisch nach einer vorab festgelegten Übergangsfrist. So können Unachtsamkeiten konsequent vermieden werden. Gemeinsam mit solchen Anwendungen arbeiten wäre das Ziel und nicht das Ersetzen von Ingenieuren durch Künstliche Intelligenz.
Langfristig gesehen sind auch sogenannte AI Agents im Rahmen von Large Language Models wie GPT sehr interessant, denn sie könnten mehrere Prozesse gleichzeitig durchführen und dies völlig selbstständig (autonom). Skripte wie AutoGPT haben dieses Potenzial bereits demonstriert. Laufen bestimmte Rohstoffkosten z.B. für die Produktion von Stahl oder Beton aus dem Ruder, also steigen massiv, dann könnte ein KI-Programm dies etwa an den Terminmärkten mittels Derivaten viel zeiteffizienter absichern als ein Mensch. Natürlich steht diese Möglichkeit noch sehr am Anfang, da sie auch viele Gefahren bezüglich einer Verselbstständigung birgt, aber schon einmal darüber nachzudenken ist nicht verboten 😉
Autoren
Dieser Beitrag ist eine “Co-Production” von Johannes Schleiss (Universität Magdeburg) und Matthias Kindt (Unidigital.news). Johannes, besten Dank für deinen Input und viel Erfolg bei der Umsetzung Eures Studiengangs 👍
Das nachfolgende YouTube-Video der Universität Magdeburg gibt einen etwas anderen Einblick in den neuen Studiengang.